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Bern - eine Liebe fürs Leben

Aktualisiert: 27. Juni 2022

Claudio Caviezel und die Liebe zu Bern, erfahren Sie mehr über seine Vergangenheit.



Wenn Claudio Caviezel in breitem Bündner Dialekt aus seinem Leben erzählt, kann man sich fast nicht vorstellen, dass er seit über 40 Jahren als Schreiner in der Stadt Bern arbeitet. «Das ist schon lange nicht mehr mein ursprünglicher Dialekt», winkt der 67-Jährige lachend ab.


«Ich habe mit nichts begonnen, aber ich war überzeugt, dass es funktionieren würde»

In Tomils geboren, verliess er bereits als 11-jähriger Bub sein Elternhaus, um im Kanton St.Gallen ein katholisches Internat zu besuchen. Seine humanistische Ausbildung mit unendlich vielen Lateinstunden und wöchentlichen Theaterbesuchen begeisterten den Jugendlichen. Aber als er und einige Mitschüler revoltierten und in der Folge die Schule nur ein Jahr vor der Maturität verlassen mussten, zerplatzte sein Traum von einem Studium. Die Alternative lag nahe, denn sein Vater führte in Graubünden eine Schreinerei. Weil Caviezel nicht in die Berge zurückkehren wollte, suchte er auf eigene Faust eine Lehrstelle in Brugg AG und gab sich voll in seine Ausbildung hinein. Nach der Lehre zog er zwei Jahre lang durch die Schweiz, bevor er sich in Solothurn für eine längerfristige Stelle bewerben wollte. Am Tag des Bewerbungsgesprächs machten er und seine heutige Frau einen Abstecher in die nahe gelegene Stadt Bern. Es war Liebe auf den ersten Blick. Dem damals 25-Jährigen war sofort klar, dass er dort leben wollte. In einem Wirtshaus liess er sich den «Stadtanzeiger» geben und schaltete noch gleichentags eine Anzeige. Kurz darauf trat er eine Stelle in Bern an. Richtig zufrieden wurde er damit jedoch nicht. Als er auf ein Angebot für einen Gewerberaum stiess, folgte er erneut seinem Bauchgefühl. Er reduzierte das Pensum und begann, seine Selbstständigkeit aufzubauen.


«Ich habe mit nichts begonnen, aber ich war überzeugt, dass es funktionieren würde», sagt er. Mit dem Geld für einen verleimten Stuhl kaufte er die ersten Werkzeuge. So machte er beharrlich weiter, bis die Schreinerei eingerichtet war und er seine ersten Mitarbeiter einstellen konnte. Von Anfang an besetzte Caviezel Nischen. Er bildete sich immer wieder weiter, eignete sich mithilfe von Fachliteratur ein enormes Wissen über Möbelstile und ihren historischen Kontext an, holte Experten in die Werkstatt und machte sich einen Namen als Spezialist für aufwendige Restaurierungen. Aber auch seine Möbel aus Massivholz waren bei der Kundschaft gefragt, und seine kreativen Sprüche in seinem ständig wechselnden Schaufenster inmitten von Bern sind stadtbekannt. Er habe immer alle Kunden gleich behandelt und einen wackeligen Stuhl ebenso ernst genommen wie den Grossauftrag. Seine Strategie war von Erfolg gekrönt. «Ich setzte dem Wachstum bald einmal Grenzen. Mir war es wichtig, meinen hohen Qualitätsstandard zu halten. Ausserdem bin ich nicht Schreiner geworden, um als Kaufmann hinter dem Bürotisch zu sitzen», sagt er.


Bern als Wirkungsort begeisterte ihn stets. «In der Stadt gibt es viele herrschaftliche Häuser und Villen, in denen die Kultur gepflegt wird. Oft sind sie mit wunderschönen Möbeln aus allen Epochen ausgestattet», sagt Caviezel. Nun übergibt er die Firma in die Hände eines ehemaligen Lernenden. Bis Ende Jahr arbeitet er noch Teilzeit mit. Der Vater zweier erwachsener Kinder freut sich auf ausgedehnte Wandertouren mit seiner Frau und darauf, sich wieder intensiver der Musik zu widmen. Wie früher möchte er stundenlang Klavier spielen, am liebsten klassische Stücke. Mit der Musik beschäftige er sich auf fast wissenschaftliche Art, so wie er das auch mit den Möbeln und ihrer Geschichte getan habe. «In dieser Hinsicht hat mich meine humanistische Grundbildung immer geprägt und mein ganzes Leben lang begleitet», sagt er.

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